Montag, 10. Juli 2006

Rationalstürmers WM-Querschläger VII (Finale)

Ziehen wir nach vier echt seltsam entrückten Wochen also eine kleine Bilanz, pinkeln wir hier und da nochmal dem einen oder anderen Protagonisten der Spiele ans Bein und vergessen wir auch nicht, unterm Teppich nachzusehen. Der Dreck darunter müsste dank der Temperaturen langsam zu stinken anfangen, und man darf sicherlich gespannt sein, wer sich als erstes die Nase zuhält. Ein Kaffeetschkerl oder ein Gläschen Limonade zur Lektüre ist sicher nicht schlecht, weil das wird was längeres.

Doch zuerst, wie es sich für einen guten schlechten Verlierer (dazu später mehr) gehört, herzlichste Glückwünsche, liebe Terroni/Polentoni, auch von dieser Stelle aus!

Was sich im Nachhinein so richtig klasse anfühlt: Das fürchterliche Parzengeschrei neurotischer Berufsangstmacher wie Herrn Schäuble und Herrn Jung hat sich als das erwiesen, was es war: haltloses und dummes Gewäsch. Das lag sicherlich an auch an einer professionellen Polizeiarbeit, aber die wird man wohl auch im Rahmen einer solchen Großveranstaltung erwarten dürfen. Dafür, dass Personen wie die genannten im Vorfeld der WM mit allen Mitteln versucht haben, das Land mit ihrer Panikmache in eine Sperrzone zu verwandeln, darf man sie jetzt mindestens auslachen, aber eigentlich gehören sie sich in Eisen gelegt und einmal kreuz und quer durch die Republik geprügelt.

Unverkrampft? Was für ein Unfug!


Bezeichnenderweise waren und sind es genau Figuren wie Schäuble und Konsorten, die schon nach wenigen Tagen der Party es kaum fassen konnten (oder wollten), dass die Leute eben nicht wie ihre offiziellen Vorturner mit Stöcken im Arsch herumstehen und ihre Freude an dem Ding am liebsten mit einem betretenen Lächeln kundtun.

Dass angesichts der Riesensause in Dörfern und Städten als Erklärung die peinliche Vokabel vom unverkrampften Patriotismus in dicken Lettern auf die Agenda gesetzt wurde, zeigt nur zwei Dinge: Erstens, dass die Damen und Herren, die uns vertreten sollen - ebenso wie die, die darüber schreiben sollen - keinen Blick, kein Verständnis und schon gar kein Gefühl mehr dafür haben, wie gewöhnliche Menschen ticken, wie wirkliche Freude und ganz stinknormales, unüberlegtes Spaßhaben funktioniert. Zweitens offenbart die beinahe schon speicheltriefende Usurpation dieses Spaßhabens vor allem durch die deutsche Konservative, welcher Art die Reflexe sind, nach denen man hinter den Mauern der Ministerien und der sogenannten bürgerlichen Presse funktioniert.

Weil das Regieren mit der Großen Koalition mehr denn je zum gleichermaßen inhalts- wie ideenlosen Herumdoktern an den bestehenden Gegebenheiten verkommen ist, wurde ein schwarzrotgoldener Popanz aufgebaut, der das Wahlvolk auf unerträglich joviale Gutsherrenart sedieren soll. Weil es angesichts marodierender Konzernbanden auf der einen und einer in der Hauptsache Besitzstände auf Teufel-komm-raus verteidigenden und die eigene Zukunftslosigkeit beweinenden Linken auf der anderen Seite nicht mehr möglich ist, politische Mandate tatsächlich zu erfüllen, wurde da mit großen Augen verkündet, wie wunderbar die Freude über ein Land sei, dessen Bewohner nach so vielen entsagungsvollen Jahren nicht nur den nationalen Keuschheitsgürtel abgelegt, sondern sich vor lauter Begeisterung auch gleich eine dicke Fahnestange durchs nationale Hymen gestoßen hatten. Sitz, passt, wackelt und hat Luft. Und weil man der neuen deutschen Lockerheit aber doch nicht so ganz über den Weg traut, nutzt die Politik den emotionalen Ausnahme- und Gleichschaltungszustand ganz dreist für die größten Sauereien/Stümpereien in der Geschichte der Republik, die Dummen werden´s schon nicht merken. Derweil leistet das Fernsehprogramm stramm und blöd Schützenhilfe und blendet vorsichtshalber die Nationalhymne zum Mitsingen ein, Pisa lässt schön grüßen.

Beckmänner, Blödmänner

Überhaupt, das Fernsehen. Lassen wir an dieser Stelle einmal die Privatsender beiseite, die ja nur aus dem einzigen Grunde Spiele übertragen haben, weil das öffentlich-rechtliche Fernsehen sonntags nach 20 Uhr keine Werbung zeigen darf.

Der Lichtblick dieser WM gleich vorneweg: Monica Lierhaus. Professionell, aber nicht zu. Persönlich, aber nicht zu. Weiblich, aber nicht zu (was ja in der Noch-Schwanzträgerdomäne auch wichtig ist). Mehr davon, und bitte nicht kaputtmachen.

Vorknöpfen muss man sich vor allem Beckmann und Kerner, und hier reicht es (leider) nicht aus, sachlich-objektive Kritik zu bringen. Die vielen Jahre Talkscheiße, soviel steht fest, haben beide Fernsehmenschen ganz offensichtlich ruiniert, und zwar gründlich. Beckmanns grauenhafte Pathossalven, vor allem bei den Deutschlandspielen, waren mehr als unerträglich. Selbst ein Herr Rubenbauer, dem man nun wirklich auch keine erstklassigen Moderationen vorwerfen muss, hat es besser verstanden, persönliche (und auch theatralische) Elemente in seine Berichterstattung zu integrieren, als Herr Beckmann, dem man raten möchte, nächstens lieber bei der Bunten oder der Gala anzuheuern, anstatt den Menschen mit seinem unsäglichen Stuss auf die Nerven zu gehen.

Gleiches Bild im ZDF. Hätte nicht Jürgen Klopp das eine oder andere Mal mit unaufdringlichem Sachverstand und wirklicher Witzigkeit auf der Linie geklärt, Johannes B. Kerner wäre es mit Leichtigkeit gelungen, noch mehr mediale Eigentore in den Kasten der ZDF-WM-Arena zu knallen. Durch und durch peinlich und unangenehm, wie hier - sicherlich unter Einsatz einer ganzen Hundertschaft von Anheizern - dem Publikum von dieser selbstverliebten wandelnden Werbefläche ein Kasperlprogramm dargeboten wurde, für das sich jeder anständige Fernsehmacher innerlich nur schämen konnte.

Bemerkenswert auch, wir kommen wieder zur ARD, dass das Duo Delling-Netzer in der öffentlichen Wahrnehmung eine solch positive Resonanz erfährt. Seit Jahren ein eingespieltes Team, war es in erster Linie knallhartes Profitum, was die beiden abgeliefert haben. Sehr geschickt auch, dass es immer ein klein wenig gewollt aussah, wenn man sich gegenseitig anstichelte. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass Herr Netzer in seiner Eigenschaft als Executive Director des Sportrechteladens infront sports&media nicht ganz schuldlos daran ist, dass die Fussball-Weltmeisterschaft zu einer gigantischen Fabrik geworden ist, deren Bosse zigarrerauchend in klimatisierten und hostessenbetreuten Logen vor sich hindämmerten (oder in Gedanken schon ihr Geld zählten), während der kleine und finanziell mitunter schwächliche Fan oft genug das Nachsehen hatte, siehe Kartenprozedere, oder sich die Spiele in sponsorenverseuchten Public-Viewing-Aereas ansehen musste.

Trotzdem Party

2010 wird zeigen, ob die massenhafte und wunderbar ansteckende Begeisterung für das Fußballfest auch dann noch so groß ist, wenn Public Viewing nicht mehr umsonst ist, wenn die jetzt noch großspurig in SOS-Kinderdörfer gepumpten infront-Millionen vielleicht ganz woanders versickern.

Denn das war ja das wirklich große Wunder dieser WM: Dass die Menschen eben trotz aller Anstrengungen der FIFA und ihrer profithuldigenden Wasserträger, das Turnier kaputtzumachen, sich den Spaß nicht nur nicht verderben ließen, sondern ihn sich genommen haben, wo es nur ging. Verdammt nochmal, es war wirklich einfach eine große Party! All denen, die in dem buntbeflaggten Jubeltrubel nationalistische Auswüchse oder - genauso schlimm - Dummheit gesehen haben, sei gesagt: Selber schuld, wenn ihr´s nicht kapiert habt oder nicht kapieren wolltet. Mir ging viel von dem Gehupe auf den Sack, mir wurde auch bei manchen Sprüchen im Busen bang, und ganz bestimmt haben wir jetzt nicht kein Problem mit dem braunen Unrat im Land, nur weil diesem Pack vier Wochen lang schlicht und ergreifend der Wind aus den Segeln genommen worden ist. Aber genausowenig, wie wirs jetzt mit einem neuen Deutschland zu tun haben, haben wirs in bei der massenhaften Fahnenschwenkerei mit Dumpfdeutschland zu tun. Hier hatten einfach ein paar Millionen Leute ne Menge Spaß, und dazu haben sie sich halt auch ein paar Farben ins Gesicht gemalt und mit bunten Fähnchen gewedelt. So einfach ist das nämlich.

Und damit zum Spocht


Aber vielleicht versteht man das halt manchmal einfach nicht, dass es tatsächlich so einfach ist. Insofern darf man vielleicht auch bei dem Fußball, den die von Jürgen Klinsmann im wahrsten Sinne des Wortes aufgebaute Mannschaft gespielt hat, auch von einem kleinen Wunder sprechen. Mir grausts bei solchen Worten beinah vor mir selber, noch mehr fast, als es mir ja vor den Schwaben graust, und dieser Klinsmann ist ja eigentlich sogar ein ganz besonders seltsam-emsiges Exemplar dieser Sorte.

Nützt aber nichts, man muss sich den Dingen ja stellen. Und sagen wirs mal so: Im Vergleich zu dem fahrigen Gestöpsel und Hintenreingestelle, mittels dessen sich die Katzelmacher des Pokals bemächtigt haben, hat die schwarzweiße Elferbande es nicht nur nicht nötig gehabt, andere beim Schiedsrichter zu verpetzen, um doch irgendwie zum Erfolg zu kommen, sondern sie hat einfach in jedem Spiel gut ausgesehen. Sie ist einfach rausgegangen und hat das getan, was man sehen wollte: Sie hat einfach Fußball gespielt. Und das war beinahe schon so viel einfach, dass man manchmal seinen Augen nicht trauen konnte.

Das bleibt. Auch wenn wir schon recht bald wieder zur Tagesordnung übergehen werden und diese uns gar nicht mehr so viel Spaß machen wird. Es waren klasse vier Wochen, verlorenes Halbfinale hin oder her. Beim nächsten Mal vielleicht einfach ne andere Musik nehmen.

P.S.: Merkel und Köhler hab ich mir diesmal gespart. Ist eh Hopfen und Malz verloren.

P.P.S.: Danke, Zinédine Zidane, für diesen shakespearehaften Abgang!

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rationalstürmer - 2. Mär, 21:43
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Das mit der Glaubwürdigkeit ist ja eh so eine Sache....
rationalstürmer - 2. Mär, 21:41
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Ich hab einen Magen-Darm-Dings, da ist mir ein bisserl...
rationalstürmer - 2. Mär, 21:38
Hahaha, Herr Passenger...
Hahaha, Herr Passenger ... das mit den eigenen Überzeugungen...
rationalstürmer - 2. Mär, 21:36
ja du lieber mein vater
In meiner Erregung sehe ich mich veranlasst, hier -...
Pecas - 2. Mär, 20:47
Das Interview interschien...
Das Interview interschien ja wohl zeitgleich mit der...
stilhäschen - 2. Mär, 20:12
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Ach, jetzt bist du plötzlich wieder hier. Da kennt...
St. Burnster - 2. Mär, 20:00
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Pecas - 2. Mär, 07:36
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Fellow Passenger - 2. Mär, 01:48

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Zuletzt aktualisiert: 1. Jun, 18:33

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