Die Pflaume
Und sie raunte ihm süße Worte der Resignation ins Ohr und schob mit ihren warmen Fingern alle Fragen und Aufgaben als vergebens weg. Und sie flüsterte: In der Einsamkeit ist alles erlaubt. (Robert Musil, "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß")
Klingt doch schön, oder? Aber einfach so ein Buch lesen geht bei mir im Moment nicht so richtig. Mir wird oft schwindlig, sobald ich ernsthaft anfange, mich auf die schwarzen Buchstabenkolonnen zu konzentrieren, und das, obwohl sie in so braver Regelmäßigkeit durch die Taschenbuchseiten marschieren. Dann versuche ich, dem Torkeln meiner Blicke irgendwo Halt zu geben, an der Zimmerdecke, am Nachttisch, an Mackes traurig dreinschauendem Tegernseer Bauernjungen auf dem Umschlag, aber alles vergebens. Ob das die Nebenwirkungen sind oder ob ich doch einfach mal den Alkohol weglassen sollte - keine Ahnung. Ich mag keine Packungsbeilagen.
Also gibt es viel Fernsehen. Viel Schlaf und viel Fernsehen und ab und an kommt das Mädchen mit den dunklen Haaren und schmiert mir scharfe Salbe aus einem kleinen Gläschen auf die Stellen, die meine eigenen Hände nicht mehr erreichen. Manchmal necke ich sie, weil da immer Dreck unter ihren Fingernägeln ist und bilde mir ein, das käme da her, dass sie die Salbe selbst gemacht hat, aus selber ausgegrabenen und zermahlenen Wurzeln und zerriebenen Kräutern. Aber das sind Bilder aus einer anderen Zeit. Bilder, die einfach nicht weggehen wollen.
So wie die Bilder im Fernsehen. Deren schlimmstes im Augenblick ist Kai Pflaume im fliederfarbenen Hemd. Kai Pflaume, wie er - schier unerträglich gönnerhaft lächelnd - biologisch-dynamisches Fertigfressen aus dem Plusplastebeutel an die Kollegen verteilt. Kai Pflaume. Gehts eigentlich noch?
Ich erinnere mich an Zeiten, da hatte man entweder Bekannte oder es gab von der Kirche Adressen, und dann hat man Ananas und Seife in eine Kiste gepackt und einen Zettel ausgefüllt und rübergeschickt, und für das, was die Stasi nicht selber gefressen oder in Ersatzteile umgetauscht hat, haben einem die Leute dann Moskovskaya ausm Exquisit oder Erzgebirgsnussknacker in die Hand gedrückt, wenn man dann mal dort war. Das war früher. Die alten Stasifritzen klauen zwar heut immer noch die Post, aber alles andere hat sich offensichtlich grundlegend verändert. Könnt man jedenfalls meinen, wenn man sich den Ostpaketespot so anschaut.
Da wird ja wohl die Frage erlaubt sein, warum wir eigentlich seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten Kohle da rüber pumpen, wenn die so viel zum Fressen haben, dass sies sogar Kai Pflaume im Werbefernsehen verschenken lassen müssen. Ausgerechnet dieser westgeldgefickte Hosenscheißer, der sich nicht mal vom Zehner springen traut. Wird Zeit, dass aus dem Solidaritätszuschlag endlich eine gscheite Watschn wird.
Ab morgen setze ich den Alkohol ab und lese doch lieber weiter in meinem Buch.
Klingt doch schön, oder? Aber einfach so ein Buch lesen geht bei mir im Moment nicht so richtig. Mir wird oft schwindlig, sobald ich ernsthaft anfange, mich auf die schwarzen Buchstabenkolonnen zu konzentrieren, und das, obwohl sie in so braver Regelmäßigkeit durch die Taschenbuchseiten marschieren. Dann versuche ich, dem Torkeln meiner Blicke irgendwo Halt zu geben, an der Zimmerdecke, am Nachttisch, an Mackes traurig dreinschauendem Tegernseer Bauernjungen auf dem Umschlag, aber alles vergebens. Ob das die Nebenwirkungen sind oder ob ich doch einfach mal den Alkohol weglassen sollte - keine Ahnung. Ich mag keine Packungsbeilagen.
Also gibt es viel Fernsehen. Viel Schlaf und viel Fernsehen und ab und an kommt das Mädchen mit den dunklen Haaren und schmiert mir scharfe Salbe aus einem kleinen Gläschen auf die Stellen, die meine eigenen Hände nicht mehr erreichen. Manchmal necke ich sie, weil da immer Dreck unter ihren Fingernägeln ist und bilde mir ein, das käme da her, dass sie die Salbe selbst gemacht hat, aus selber ausgegrabenen und zermahlenen Wurzeln und zerriebenen Kräutern. Aber das sind Bilder aus einer anderen Zeit. Bilder, die einfach nicht weggehen wollen.
So wie die Bilder im Fernsehen. Deren schlimmstes im Augenblick ist Kai Pflaume im fliederfarbenen Hemd. Kai Pflaume, wie er - schier unerträglich gönnerhaft lächelnd - biologisch-dynamisches Fertigfressen aus dem Plusplastebeutel an die Kollegen verteilt. Kai Pflaume. Gehts eigentlich noch?
Ich erinnere mich an Zeiten, da hatte man entweder Bekannte oder es gab von der Kirche Adressen, und dann hat man Ananas und Seife in eine Kiste gepackt und einen Zettel ausgefüllt und rübergeschickt, und für das, was die Stasi nicht selber gefressen oder in Ersatzteile umgetauscht hat, haben einem die Leute dann Moskovskaya ausm Exquisit oder Erzgebirgsnussknacker in die Hand gedrückt, wenn man dann mal dort war. Das war früher. Die alten Stasifritzen klauen zwar heut immer noch die Post, aber alles andere hat sich offensichtlich grundlegend verändert. Könnt man jedenfalls meinen, wenn man sich den Ostpaketespot so anschaut.
Da wird ja wohl die Frage erlaubt sein, warum wir eigentlich seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten Kohle da rüber pumpen, wenn die so viel zum Fressen haben, dass sies sogar Kai Pflaume im Werbefernsehen verschenken lassen müssen. Ausgerechnet dieser westgeldgefickte Hosenscheißer, der sich nicht mal vom Zehner springen traut. Wird Zeit, dass aus dem Solidaritätszuschlag endlich eine gscheite Watschn wird.
Ab morgen setze ich den Alkohol ab und lese doch lieber weiter in meinem Buch.
rationalstürmer - 22. Jun, 09:15