Sonntag, 15. Oktober 2006

Dead man talking

Da hockst du und wartest, während um dich herum eine Welt mit endzeitlichem Getöse in Schutt und Asche versinkt und die Schwerstverletzten, im Wundschock schon gar nicht mehr merkend, dass sie auf ihre eigenen Eingeweide treten, um dich herum torkeln, nur die wenigsten von ihnen in die Arme rettend kundiger Sanitäter und Notärzte stolpernd.

Dass du selbst Teil dieser grauenhaften Szenerie bist, bemerkst du nicht, so sehr bist du mit warten beschäftigt. Jemand spricht dich an, packt dich unsanft an den Schultern und schüttelt dich. Dein Name? Den weißt du nicht mehr. Wie du auch dein Alter nicht mehr weißt oder deine Adresse. Du denkst an einen vertrauten Namen, weißt aber, dass es nicht deiner ist. Du sagst nichts. Resignierenden Blickes geht dieser Jemand weiter, nachdem er vielleicht vier-, fünfmal mit der ganzen Anteilnahme desjenigen, der helfen will, versucht hat, auch nur ein einziges Wort aus dir herauszubringen, vergebens.

Dabei geht es dir gut. Wären da nicht all der Staub auf deinen Kleidern und deine blutenden Hände - man würde nicht glauben, dass du dabei gewesen bist, als es geschah. Du registrierst, was da um dich herum passiert, aber jetzt ist dir das nicht wichtig. Du zeichnest es nur auf, für später. Jetzt, jetzt hast du erst einmal zu warten. Immer wieder siehst du hin, kneifst die Augen zusammen, um deinen Blick zu schärfen, und hast nichts anderes zu tun als zu warten.

Irgendwann, du weißt nicht mehr, wie viele Stunden vergangen sein mögen, beginnt es zu regnen. Du fängst an, dich zu erinnern, wie das vorher war - Regen - und auf eine seltsame Weise bringst du die Erinnerung nicht in Einklang mit diesem Regen. Schwer fällt es auf dich herab, und es fühlt sich warm an. Du blickst auf deine Finger und siehst, wie sich dein Blut und der Regen mischen. Hübsch, denkst du dir, das sieht hübsch aus. Als ein Tropfen von deiner Nasenspitze auf deine Lippen gelangt, fällt dir auf, wie salzig er schmeckt.

Du siehst auf und blickst auf einmal in ihre Augen, gerötet vom Weinen. Die ganze Zeit, während du auf sie wartetest, hattest du in ihren Armen gelegen, ihr tränennasses Gesicht über deines gebeugt, und du hast nichts davon gespürt. Du sprichst sie an, willst sie trösten, aber sie hört dich nicht, keines deiner Worte. Du wendest deine eigenen Augen hinunter auf deine Brust und siehst das Loch, das sich wohl ziemlich genau an der Stelle befinden muss, wo einmal dein Herz war. Da weißt du, dass du nicht mehr warten musst. Du lässt einfach ihre Hand auf deiner zerfetzten Brust ruhen.

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neo-bazi - 16. Okt, 09:06

Was für ein Wechselbad. Bist du verliebt?

rationalstürmer - 16. Okt, 18:34

Always in love, Edi. Was hastn du denkt?! Gibts ganz nebenbei gesagt ein recht schönes Lied von einer Combo namens Wilco dazu, das ich jetzt nach nur kurzer Stöberung nirgendwo herkriegt hab. Und zu den Folgen dieses Zustands hat der Kollege Burnster neulich erst mit der Lisi zusammen einen Beitrag geliefert. Außerdem wissen wir ja seit dem Pater Kneipp, wie gut heißkaltheißkalt tun kann. Wemmers net übertreibt, eh klar.
St. Burnster - 16. Okt, 19:51

..and always in trouble. And always paying double. Ich weiß schon, was es geschlafen, äh geschlagen hat, Razzitzky. Und dennoch leide ich gerne und gerne mit. Brothers in Arms, eh klar, woast scho, oder?
rationalstürmer - 16. Okt, 22:57

Freilich, Burnse. Through these fields of destruction, eh klar.
bittersweet choc - 16. Okt, 09:45

sie zog ihn mit letzter kraft zu dem fahlen licht am ende der nachtschwarzen dunkelheit. sein blut verklebte ihr kleid. er war zu schwer verletzt. sie wusste, dass er seine augen nicht mehr öffnen konnte. er konnte auch nicht mehr sprechen, manchmal hörte sie noch seinen atem. die stimmen der verfolger kamen näher, sie glaubte, ihren durchdringenden scharfen schweiss und die fäule, die aus ihren mäulern kroch, riechen zu können. als sie den silber schimmernden see erreichten, brach sie unter seinem gewicht zusammen. sie schob seinen leblosen körper von sich und legte sein gesicht in ihren schoss. erst jetzt konnte sie sehen, dass sein linker brustkorb in stücke gerissen war. dann spürte sie zwei grosse kalte krallen auf ihrer schulter. she was doomed.

rationalstürmer - 16. Okt, 18:36

Und du, Bittersüße, was soll ich denn darauf jetzt sagen, hmm??

Ich erlaube mir, das einfach so stehen zu lassen. Aber schau dir net so viele Gruselfilme an, sonst endest noch wie der Burnston und musst katholisch werden.
St. Burnster - 16. Okt, 19:52

Amen.
bittersweet choc - 16. Okt, 20:43

gruselfilme!?!? das da oben ist "real love" aus einem - ich gebe zu - minderwertigen fantasy-groschenroman. gruselfilm! ausserdem hast du mit dem splatter angefangen. herzrausreissen gehört meines erachtens dazu.

und katholisch werde ich schon gar nicht, da gehe ich lieber auf den scheiterhaufen. so. kein amen.
rationalstürmer - 16. Okt, 23:02

Burns: De Mannaleit, de Mannaleit.

Chocolita: Herzrausreißen ist nicht Splatter, Herzrausreißen ist sachlichster Erlebnisbericht. So gesehen haste doch wieder recht mit deiner Fantasy-Groschenroman-Wahrheit. Es ist real love - wenn mans richtig anstellt.

Und gut, streichen wir das Amen wieder. Oder meinethalben auch nicht. Ich werd mich doch da nicht in euren interreligiösen Disput einmischen.
bittersweet choc - 17. Okt, 20:18

einverstanden mit der no-splatter-theorie. ja, man sollte sachlich bleiben und darauf achten, dass die anschlussstellen beim rausreissen nicht ausfransen, damit die stellen bei der eventuell notwendig werdenden reimplantation nach möglichem ausfransen der real love (was unbedingt zu vermeiden ist) ohne komplikationen zusammengekautert werden können und es so wieder zu einem normalen qrs-komplex kommt. wer will schon defibrilliert werden ;)
rationalstürmer - 17. Okt, 20:24

Also nicht, dass ich um jeden Preis renitent sein will, aber gerade an den Ausfransungen ergeben sich die wirklich interessanten Möglichkeiten bzw. die wahrhaften Herausforderungen.

Und, das habe ich mir eben erst durch Nachschlagen angeeignet, so ein QRS-Komplex jenseits des Normalen klingt doch gar nicht mal so schlecht. Kammererregung find ich jedenfalls was Feines. Aber vielleicht hab ich das auch falsch verstanden.
bittersweet choc - 17. Okt, 20:38

renitenz ist immer willkommen. auch hier muss ich dir wieder recht geben, dass die ausfransungen die wirklichen herausforderungen sind, jedenfalls für einen ausgezeichneten filigranchirurgen. der würde sich mit gut geschnittenen anschlüssen glatt langweilen. manchmal bin ich nunmal eher für die unkomplizierten lösungen zu haben, wenn es um lebensrettende massnahmen geht.

das mit der kammerregung siehst du richtig und solange es nicht zum flimmern kommt, ist eine hübsche tachykardie auch sehr zu empfehlen, rät frau dr. choc. (was schreibe ich hier eigentlich!?)
rationalstürmer - 18. Okt, 07:38

Meinen mitunter fehlenden Sinn für Pragmatik hat man mir auch schon oft vorgeworfen, liebe Frau Doktor, gerade auch in Bereichen, wo anstelle vieler Worte und einem Wust an Umständlichkeiten eigentlich schnelles internistisches Handeln bis hin zur Nottransplantation angezeigt wäre. Aber finden Sie mal auf die Schnelle ein Spenderherz...
bittersweet choc - 18. Okt, 12:59

neinnein, ich werfe dir das nicht vor - chacun à son goût oder no risk, no fun, je nachdem ;)

ja, bei den wenigen organtransplantationsbereiten herrschaften ist ein schnelles ersatzherz schwierig. hat man eins gefunden, gibts heftige abstossungsreaktionen. man kann es niemanden recht machen. wenns doch nur ein robustes schweineherz täte, dann wären wir alle sorgen los.

dr. choc, PhD (fachärztin für herzensangelegenheiten, sprechzeiten entnehmen sie bitte dem aushang. termine nach absprache möglich.)
rationalstürmer - 19. Okt, 07:05

Frau Doktor, ich hab nachgedacht: Das mit dem robusten Schweineherz bringt auch nix. Ich funktioniere seit mittlerweile bereits mehr als drei Jahrzehnten mit einem solchen und treffe trotzdem auf nichts als Unwägbarkeiten, Abstoßungsreaktionen und Infarkte. Da liegt noch einiges im Argen in der angewandten Kardiologie.
dieJulia - 17. Okt, 00:18

der verfluchte halbdurchlässige Spiegel. Verdammt, jetzt begreife ich alles. Ganz konkret alles. Und Gott(?) sitzt auf einem Ast im All und lacht.

Es ist ja wirklich alles so umsonst. Die Tränen. Wechselweise die Abschiede, für die wir alle nicht gebaut sind. Der ganze Kram. Tschuldigung, bin grad auf dem Egotrip.

dieJulia - 17. Okt, 00:23

Also, öh... sorry fürs An- und hier unqualifiziert Herumkacken.
Aber ich bin eben einfach so enthusiastisch, wenn ich etwas schnalle.

Herr Rationalstümer, du kriegst von mir ganz definitiv das Prädikat: hilfreich in allen Lebenslagen. Dankschön!

rationalstürmer - 17. Okt, 07:52

Liebe Julie, das gehört nun einmal auch zum Wesen des Enthusiasmus, dass in solchem Überschwang ab und an gerne die interneuronalen Synapsen durchknallen. Vulgo: Bei sowas ist schnell einmal unkontrolliert - unqualifiziert möcht ichs ja gar nicht nennen - dahergredt. Würd ich mir absolut keine Gedanken drüber machen.

Deine Sorge über etwaig unqualifizierte Äußerungen kann ich darob einmal mehr entkräften, da ich selbst, wie du hier sehen kannst, einer gewissen Umsonsthaftigkeit in gewissen Dingen ebenfalls schon gewahr geworden bin.

Fürwahr ist der ganze Kram, um bei deiner liebenswert holistischen Bezeichnung zu bleiben, tatsächlich geeignet, die Schlussfolgerung zu ziehen, der große Spanner da draußen im All habe sich den Unfug nur zur eigenen Belustigung ausgedacht, damit er sich auf seinem abgesägten Ast der Evolution nicht gar so fadisiert.

Und: Das Prädikat nehme ich gerne an und verneige mich selbstverständlich allerartigst. Zuviel der Ehre, wirklich.
Au-lait - 17. Okt, 15:16

Der schmutzige Nachgeschmack ruppiger Umnachtung zerfault auf der Zunge und netzt doch das Herz. Hauchzarte Verzweiflung und dreckige Sanftmut, betörend, verstörend, brillant!

rationalstürmer - 17. Okt, 18:47

Jetzt les ich dich schon so lange, Ole. Aber wie du mit Adjektiven umgehst, das find ich immer noch unglaublich. Danke!

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rationalstürmer - 2. Mär, 21:41
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rationalstürmer - 2. Mär, 21:38
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rationalstürmer - 2. Mär, 21:36
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Pecas - 2. Mär, 20:47
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stilhäschen - 2. Mär, 20:12
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St. Burnster - 2. Mär, 20:00
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